Globenaut

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Vodafone — der mißverstandene Telekomriese

von Globenaut am 17.7.09

Vodafone hat in seinem Blog zu den Sperrungen — die keine Sperren sind, sondern nur Zugriffserschwernisse für DAUs — Stellung genommen [1], aber in einer Form, die zeigt, daß sie die Art und Weise der Kommunikation im Internet und speziell in Blogs nicht verstanden haben:

Die Debatte zu unserer LivePK hat unter Anderem unsere Haltung zu der Zugangserschwerung von kinderpornographischen Seiten in den Mittelpunkt gerrückt. Die sexuelle Misshandlung von Säuglingen und Kindern ist eines der menschenverachtendsten Verbrechen die man sich vorstellen kann. Hierüber besteht breiter Konsens. Wir sind der Meinung, dass vor dem Hintergrund dieser extremen Natur des Kindesmissbrauchs eine ausgesprochene Sonderstellung des Themas vorliegt und entschlossenes und konsequentes Handeln erforderlich ist.
Wir haben stets betont, dass wir Internetsperren für andere Themenfelder ausschließen. Die Ausweitung von Zugangserschwerungen auf andere Inhalte lehnen wir strikt ab. Die breite Öffentliche Debatte zeigt, dass die Bevölkerung sehr sensibel für das Thema Internetzensur ist. Um langfristig zu dem Thema eine sachliche Debatte zu führen, ist es aus unserer Sicht wichtig, den Extremfall Kinderpornographie aus der Diskussion um Internetsperren als erledigt ausklammern zu können.
Breiter Konsens

Ist dem tatsächlich so oder wird hier nur mal wieder Ursula von der Leyen zitiert? Nach Verwässerung des Begriffes Kinderpornografie durch die vor einiger Zeit vorgenommenen Gesetzesänderungen und die Einführung von Anscheins- und Jugendpornografie ist eben genau der angebliche Konsens gebrochen worden. Unter kinderpornografisches Material fallen inzwischen auch Inhalte an denen überhaupt keine real existierenden Kinder beteiligt sind oder waren (Geschichten, Anime, Avatare). Es wurden vom Gesetzgeber mit voller Absicht Verbrechen ohne Geschädigte geschaffen. Genau dies ist der eigentliche Skandal. Der reale, physische Mißbrauch von Kindern wurde somit vom Gesetzgeber abgewertet.

Die oft von Frau von der Leyen wiederholte Theorie des „Anfixens“ ist nicht haltbar. Jede Form von Sexualität ist eine natürliche (sic!) Veranlagung. Auch wenn es manch Einem schwerfällt, die Gesellschaft muß lernen zu akzeptieren, daß Pädophilie eine natürlich vorkommende Variante der Sexualität ist und immer sein wird. Zum Schutz der Kinder gilt es, entsprechend Veranlagten im Vorfeld Hilfestellungen zu offerieren, die sie diskriminierungsfrei in Anspruch nehmen können. Übrigens sei angemerkt, daß die meisten Mißbrauchsfälle immer noch in der eigenen Familie stattfinden. Heterosexuelle werden weder homosexuell noch pädophil durch Konsum entsprechenden Materials. Der Gedanke des „Anfixens” erinnert entfernt an die Idee evangelikaler Christen — vornehmlich aus den USA — Homosexualität heilen zu wollen, denn dort herrscht auch die Auffassung vor, daß man zu Homosexualität verleitet wird. Hätte Frau von der Leyen recht, bräuchte man Homosexuellen nur ein paar Heteropornos zu zeigen und schon wären sie hetero-angefixt. Genau dies funktioniert aber nicht. Interessanterweise haben Analysen von Sperrlisten aus anderen Ländern ergeben, daß neben anderen Inhalten eben auch Seiten mit homosexuellen Inhalten auf der Sperrliste landen und bei weitem nicht nur Seiten mit kinderpornografischen Inhalten. Warum sollte das bei uns anders sein? Auch vor dem Hintergrund von Frau von der Leyen — protestantisch, streng konservativ — ist es mehr als nur wahrscheinlich, daß hinter solchen Vorstößen eben nicht nur der reine Wunsch nach Sperrung nur von Seiten mit dargestelltem Kindesmißbrauch steht, wie auch ein konservativer Parteikollege durchblicken ließ:

[...] sich erstmal mit dem Thema Kinderpornographie befassen, damit die öffentliche Debatte nicht in eine Schieflage gerät.

Man beachte bei dieser Aussage von Wolfgang Bosbach (CDU) das kleine Wörtchen erstmal. Wie bereits im Vorfeld zum Gesetz die Diskussionen gezeigt haben, geht es eben auch um „Killerspiele“, Glücksspiele, gesetzlich verbotene Meinungen (bspw. ist die Holocaustlüge eine in Deutschland verbotene Meinung), Islamismus, Drogen und andere dem konservativen Leitbild widersprechende Sachverhalte. Auch gibt es schon seit Langem immer wieder Zensurversuche, wie bspw. die durch die Bezirksregierung Düsseldorf (Jürgen Büssow) oder von Pro-Ana-Texten, Pro-Mia-Texten und Pornoseiten. Bisher haben sich solche Maßnahmen glücklicherweise meist als relativ wirkungslos erwiesen, haben aber eben auch viel Staub aufgewirbelt. Bei der Struktur die jetzt geschaffen wird, hat Vodafone, seines Zeichens ein Telekommunikationsunternehmen, mit anderen Providern maßgeblich daran mitgewirkt, eine Infrastruktur zu schaffen, um zukünftige Sperrungen recht geräuschlos durchführen zu können. Insofern ist es infam sich jetzt als Unschuldslamm darstellen zu wollen. Gerade von einem Telekommunikationsunternehmen wird erwartet, daß es nicht einmal in die Nähe des Verdachtes von Zensur oder Abhörmaßnahmen gerät.

Ausweitung von Zugangserschwerungen auf andere Inhalte...

Diese Aussage soll wohl ein Versuch sein, zu retten was zu retten ist. Vodafone hat maßgeblich als Rädelsführer an den Sperrmaßnahmen mitgewirkt, deren Ergebnis nun in geheimen Verträgen zwischen einigen Großunternehmen und dem Staat niedergelegt sind. Wenn es denn wirklich „nur“ um die bildliche Darstellung von Kindesmißbrauch ginge, bräuchte man diese Verträge nicht geheimhalten. Außerdem beruht das Sperrverfahren auf einer geheimen Liste des BKA, in die auch die Mitarbeiter der Telekommunikationsanbieter keinen Einblick haben sollen. Es ist also vollkommen egal ob Vodafone eine Interesse an der Sperrung anderer Inhalte hat oder nicht, sie sind nicht mehr Herr der Lage, denn das BKA allein entscheidet, was auf die Liste kommt. Vodafone hat geholfen die Büchse der Pandora zu öffnen!

Abgesehen davon, nichts wünscht sich wohl Vodafone sehnlicher, als die jetzt angebrochene Diskussion unterbinden zu können ;-)

Das Thema Kinderpornographie ausklammern

Genau so löst man Probleme. Wie soll das verstanden werden? Man klammert einfach mal Streitpunkte aus um sich anderen Sperrthemen zuwenden zu können? So einfach funktioniert es im Internet leider nicht.

Der ganze Text erweckt eher den Eindruck der Hilflosigkeit. Vielleicht hat man versucht zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Zuerst ein (scheinbar) sinnvolles Projekt auf den Weg bringen und dann das Ergebnis imagefördernd unter dem Motto „Ethische Verantwortung im Kapitalismus“ präsentieren. Rein prinzipiell ist nichts gegen die Strategie tue Gutes und rede darüber zu sagen, aber dann sollte auch darüber nachgedacht worden sein, welche Folgen ein solches Projekt hat und ob die Maßnahmen angemessen und zielführend sind. Gut gemeint, ist eben noch lange nicht gut gemacht, in diesem Falle: vodafail.

Auch taugt die Pressemitteilung nicht mal als Rechtfertigung. Es wird nicht der kleinste Vesuch unternommen, zu belegen warum man die Sperrmaßnahmen, so wie sie beschlossen wurden, für sinnvoll und zielführend hält. Beispielhaft sei hier die Stellungnahme vom Provider snafu [2, 3] zu nennen, der konkret seine Auffassung darlegt, warum er die beschlossenen Maßnahmen ablehnt. Ähnliches hätte man von Vodafone von seinem Standpunkt aus erwartet, aber offensichtlich ist man an einer Diskussion nicht interessiert. Sicherlich, es gibt in diesem Falle keine rechtliche Verpflichtung für Vodafone sich (öffentlich) rechtfertigen zu müssen, aber gerade wenn man eine Kampagne zum Laufen bringt um die „Generation upload“ (nebenbeibemerkt, was sagt eigentlich die Musikindustrie zu diesem Motto?) anzusprechen, muß man auch deren Kommunikationsverhalten berücksichtigen. Kommunikation im Internet ist eben nicht mehr eindimensionl von Sender zu Empfänger(n), wenigstens diese Erkenntnis sollte doch inzwischen angekommen sein. Außerdem vergisst Vodafone, daß es im Internet eben nicht nur auf Bild-Leser sondern auch auf eine hochgradig technikaffine Population trifft, die die notwendigen technischen Kenntnisse mitbringt, sich Gehör zu verschaffen weiß und sich nicht mit dem üblichen Marketinggewäsch abspeisen läßt. So bleibt der Eindruck bestehen, als ob sich Vodafone als braver Gefolgsmann der Regierung zeigen wollte, denn vielleicht braucht man ja auch selbst mal eine Bürgschaft.


  1. Reaktion auf LivePK: Teil 3 Zugangserschwerung Kinderpornographie, Alexander Panczuk (Vodafone), 14.07.2009
    http://blog.vodafone.de/2009/07/14/reaktion-auf-livepk-teil-3-zugangserschwerung-kinderpornographie/?cp=3
  2. http://Globenaut.blogspot.com/2009/07/provider-lehnt-zensurmanahmen-offiziell.html
  3. INTERNET-SPERREN
    http://www.snafu.de/component/content/article/109-wartungsarbeiten/214-internet-sperren.html

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